Schaffe ich das? Und was wenn nicht?
- LebenLiebenMedizin
- 5. Nov. 2018
- 6 Min. Lesezeit
Ihr Lieben. Erst heute habe ich einen Beitrag gelesen über eine junge Studentin, die sich den praktischen Anforderungen als Future-Doc nicht gewachsen fühlt, bzw großen Respekt davor hat.

Aus diesem Grund würde ich gerne ein paar Erfahrungen teilen und werde mein bestes geben vielleicht noch das eine oder andere aufmunternde Wort zu finden.
Diese Angst irgendwann in einem wichtigen Moment irgendwelche Skills noch nicht perfekt zu beherrschen oder einen Fehler zu machen hängt wohl über jedem Medizinstudenten. Die Medizin ist nunmal ein Bereich, in dem einem nur wenige Fehler verziehen werden. Und wenn es mal "leichtere" Aufgaben sind, riskiert man noch immer dem Patienten unnötigen Schmerz zuzufügen. Ich selber habe zum Beispiel furchtbare Angst vor Spritzen und Nadeln. Bis heute bin ich eine der Patientinnen, die konzentriert die Wand anstarrt beim Blut abnehmen und den armen Arzt beim Impfen vor lauter Nervosität voll labert. Umso größer war die Nervosität diesen Sommer als ich in meiner 2. Famulatur endlich Blut abnehmen lernen sollte. Ich kam am ersten Tag in die Praxis und eine Ärztin fragte: "Was kannst du?". Da stand ich erstmal und habe geschaut. "Nichts." wäre eigentlich die richtige Antwort gewesen, stattdessen stammelte ich irgendwas von wegen "In der Uni haben wir am Plastikarm geübt und dann durfte ich einmal bei einer Kommilitonin Blut abnehmen". Volltreffer, ein richtiger Nichtsnutz also. Zumindest habe ich mich so gefühlt. Nichts, so fühlen sich meine Kenntnisse an. Aus gegebenem Anlass ließ mich die Laborantin dann noch einmal zuschauen und schickte mich dann mit meinem eigenen Tablett über die Station. Ist ja blöd für die Patienten wenn jemand daneben steht und zu schaut. Sehe ich tatsächlich auch so. Ich fühle mich wesentlich besser wenn mir jemand das ganze einmal vernünftig zeigt und ich dann im "geschütztem" Umfeld allein mit dem Patienten üben kann, ohne das Adlerauge über meiner Schulter hängen zu haben. Wie vorhin schon erwähnt neige ich dazu in Stresssituationen einfach gaaaanz viel mit den Patienten zu reden. Bester Eisbrecher: Vorsicht, meine Hände sind eisig, nicht erschrecken. Da lachen die meisten und schütteln sich oder sagen wie toll sie das finden weil ihnen eh gerade warm wäre. Gut finde ich auch immer: Mal sehen wie großzügig Sie heute mit ihrem Blut sind. Das gibt auch fast immer ein Lächeln vom Patienten.
Da stand ich also dort vor dieser wahnsinnig jungen 2-fach Mutter und sollte ihr Blut abnehmen. Während ich mit ihr plauderte versuchte ich mir meine Utensilien zurecht zu legen. Blieb mir der blöde Handschuh am Leukoplast hängen, habe dann frustriert den Handschuh ausgezogen und das ganze ohne durchgezogen. Blöde Sache. Egal wie umständlich es ist, lernt es direkt mit Handschuhen. Wenn sie passen ist es einfacher :-P Die anderen Dinge (Tupfer, Nadel, Desinfektion, Röhrchen, Stauschlauch) habe ich jeweils ca 4 Mal in die Hand genommen. Spätestens da hätte sie merken müssen, dass ich keinen Plan hatte. Einigermaßen mental vorbereitet legte ich ihr also den Stauschlauch um den Arm, suchte mir eine Vene, desinfizierte das ganze großflächig (inklusive meiner nicht behandschuhten Finger), schnappte mir das Röhrchen mit der Kanüle (bisher hatte ich das ganze übrigens auch nur mit Butterfly geübt) und stach mit äußerst zittrigen Händen zu. Innerlich betete ich, dass sie wegschaut, damit sie meine furchtbar zittrige Hand nicht sah, wobei meine Wangen auch hochrot gewesen sein mussten, denn sie glühten förmlich. Nachdem ich das Röhrchen direkt vollbekam und mich innerlich einen Ast freute, dass es direkt geklappt hatte, zerbrach ich mir den Kopf darüber, wie zum Teufel ich denn die Röhrchen mit der Nadel im Arm wechseln sollte, ohne die Nadel rauszuziehen oder der Patientin weh zu tun. Es klappte also. Vor lauter Eifer triumphierte ich also: "Schon geschafft. Sehen Sie, nachdem Sie gestern ein Kind bekommen haben war das bestimmt gar nicht schlimm!". Ein herzliches Lächeln von der Patientin während ich nebenbei die Nadel rauszog. Inklusive befestigtem Röhrchen (Notiz an mich selbst: Eigentlich macht man erst das Röhrchen ab. Warum? Keine Ahnung. Is so!) und platsch ein riesiger Tropfen Blut landete mitten auf ihrem Oberschenkel, ein kleinerer daneben auf ihrem Laken. Stimmt, erst entstauen. Das hatte ich schon mal gehört. Ebenso wie der Kommentar: " Das vergisst du nur einmal, da schießt dann nämlich das Blut nach.". Sie hatte recht. Nachdem ich mich also mit einem verlegenen Lächeln für die Sauerei entschuldigte und meinen Kram wieder zusammenpackte verließen ich und meine Tachykardie das Zimmer. Erleichterung. Die Patientin lebt und scheint noch immer gut gelaunt. So arbeitete ich mich also von Zimmer zu Zimmer durch. Den Stauschlauch vergaß ich nie mehr. Bis ich immer dran dachte das Röhrchen vor dem Nadel ziehen abzumachen, das dauerte länger. Mit jeder Blutentnahme wurde das Zittern ein kleines bisschen weniger, bis ich am Ende der Famulatur souverän zum Stationsvampir wurde und jedem Blut abnahm. Und eines Tages kam die Frau mit tollen Venen, die ich trotzdem nicht traf. Zweimal! Ich hätte mich Ohrfeigen können. Das konnte doch nicht so schwierig sein. War es aber. Glück hatte ich, da die Patientin mega cool war. Sie ließ mich nicht das Zimmer verlassen, um die Laborantin zu holen, sondern zwang mich dazu es zu probieren bis es klappte. Endfazit: coole Patientin, 2x gestochener rechter Arm, einmal gestochener linker Arm und eine verzweifelte aber glückliche Famulantin.
Nachdem ich das Blut abnehmen (bei jungen Frisch-Müttern wohlgemerkt) beherrschte folgte schon das nächste Projekt. Viggo´s legen. Völlig zuversichtlich, nachdem ich das Blut abnehmen so toll gelernt hatte ging ich da ran. Staute der Patientin den Arm. Sie sah, sie suchte, sie fand.... nichts. Also nochmal bei der Ärztin zuschauen bzw sich die Hand führen lassen. Easy. Die nächste Patientin versuchte ich dann selbst. Willkommen zurück Zitterhand. Ich saß auf meinem Drehstühlchen vor dem Arm der Patientin, die ihn von der Liege baumeln ließ und suchte den ganzen Arm ab. Ellenbeuge: nicht erlaubt in der Geburtshilfe. Schade. Mitten am Unterarm fand ich dann mein Opfer. Eine mittelprächtige Vene. Tastbar. Sichtbar. Flach haben sie alle gesagt. Ich setzte also sehr flach an und merkte: parallel geht nicht, damit schlitzt man nur die Haut auf (habe ich nicht gemacht!). Also ein bisschen steiler und kräftig stechen, damit auch der Schlauch durch die Haut rutscht (Wieder betete ich, dass auch die Begleitung nicht auf meine Zitterhände schaute). Und siehe da! Hinten sieht man Blut. Ich habe mich gefreut wie ein Schneekönig, schob die Nadel noch einen Millimeter vor, zog sie leicht zurück, schob den Plastikschlauch weiter vor, die Nadel etwas zurück und.... Vorbei war die Blutquelle. Es kam nichts mehr und die Einstichstelle wurde dick. Verdammt. Diagnose: Durchgestochen. Da Viggos wirklich schmerzhaft sind habe ich trotz Bereitschaft der Patientin die Ärztin an den Zweitversuch gelassen. Die selbe Prozedur probierte ich an 2 weiteren Patientinnen. Bei einer ereilte mich dasselbe Schicksal, bei der anderen traf ich nicht mal die Vene. Zugänge legen kann ich also bis heute nicht. Ich setze ja viel Hoffnung in meine nächste Famulatur.
Meine erste Famulatur absolvierte ich direkt in den ersten Ferien der klinischen Phase. Beim Kinderarzt, statt beim Hausarzt. In der Grippezeit stellte sich dies als die ideale Gelegenheit dar die Lungenauskultation zu üben. Es dauerte einen Moment, aber sobald man die Krankheitsbilder einmal gehört hat, ist das recht einfach. Die Befunde im Fachjargon zu erklären hingegen finde ich noch immer unmöglich. Ebenso brachte auch der Rachenbefund bei Kleinkindern oder Babies eine große Innere Hürde mit sich. Konnte ich einem sich wehrenden, schreienden Kind wirklich ein Holzstäbchen in den Rachen schieben? Ja ich konnte. Nach einigen Fehlversuchen und einer Tonne an Eigenüberwindung. Bis heute tut es mir jedes Mal leid und ich befürchte jedes Mal, dass dem Kind das Stäbchen hinten im Rachen stecken bleibt. Umso schlimmer war für mich dann wieder die Nadelgeschichte. Impfen. Bei kleinen, süßen, unschuldigen Babies. Ihr erinnert euch an die zittrige Hand? Auch hier ist sie immer mit dabei. Vor lauter Aufregung schaffte ich es auch schon mich beim Aufziehen der Impfung selbst zu stechen!
Als letzten Punkt noch folgendes: Ich kann eigentlich kein Blut sehen. Was das angeht bin ich schon echt weit gekommen. Ich stand bei oben genannter Gynfamulatur mehrfach mit am OP-Tisch. Ein Kaiserschnitt nach dem anderen. Lasst euch gesagt sein. Ein Kaiserschnitt ist eine echt blutige Angelegenheit, da sich das Blut mit Fruchtwasser mischt und gefühlt 4 Liter Blut auf dem OP-Tisch rumfließen. Tapfer stellte ich mich aber sogar mit an den Tisch, durfte sogar assistieren. Problemlos meisterte ich das und war stolz wie Bolle, dass ich sogar die Plazenta ablösen, das Gewebe gegen dehnen durfte etc. Die nächste OP hingegen endete mit einem etwas lädierten Kreislauf. Die meiste Zeit der OP verbrachte ich leichenblass in der OP-Küche auf den Tisch aufgestützt vor einer Tasse Kaffee, nachdem ich 3 Tüten Zucker gegessen hatte, um den Kreislauf wieder in den Griff zu kriegen. So ging es weiter. Jede dritte OP brachte meinen Kreislauf ins Wanken. Schämen tue ich mich noch immer für jedes Mal, wenn mein Kreislauf schlapp macht. Zwischenzeitlich durfte ich sogar Hautnähte machen. Wieder mit Zitterhänden und kurz vorm Kammerflimmern, aber man kommt rein und mit jeder Minute wird die Hand ruhiger.
Meine Message an euch ist also folgende: Aller Anfang ist schwer und auf gut Deutsch stehen wir alle als Idioten da. Aber Übung macht den Meister. Traut euch, gebt euch innerlich einen Schubs. Es ist wahnsinnig schwierig über seinen Schatten zu springen, aber jeder hat Tätigkeiten, die er auf Anhieb können wird und manche, die man womöglich nie ganz lernt. Wichtig ist aber irgendwann seine Fachrichtung gefunden zu haben und wenn das ganze mit Herzblut, Motivation und Wille begleitet ist, gibt es nichts, dass ihr nicht lernen werdet. Vertraut auf eure Fähigkeiten und darauf, dass ihr euch neue aneignen könnt. Auch wenn nicht alles auf Anhieb klappt.
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